Ammerbucher Grenzstein Refugium
Hier finden Sie ergänzende Informationen zum im Frühjahr 2022 gegründeten “Ammerbucher Grenzstein Refugium” (AGR) und der Infotafel dort. Bei der Anfahrt hilft Google Maps.
Grenz-, Bann-, Lachen-, Ziel-, Setz-, oder Marksteine sind historische, amtliche Grenzmarkierungen (hier die Ammerbucher Gemarkungsgrenzen zum Erwandern), deren älteste Exemplare in Baden-Württemberg aus dem 15. Jahrhundert stammen können. Durch die exakte Vermessung der Gemeinde- und Grundstücksgrenzen im 19. Jahrhundert und deren heutige digitale Erfassung sowie Grenzveränderungen haben diese teilweise ihre frühere Funktion verloren. Sie sind aber immer noch Rechtswahrzeichen und Kleindenkmale, jahrhundertalte Zeitzeugen und historische sowie kunsthandwerkliche Kleinode, die nicht verloren gehen sollten und deren unerlaubte Entfernung von ihrem Standort oder Zerstörung strafbar sind.
Sie zeigen oft ihr Aufstelljahr, eine Nummerierung, auf der Oberseite eine Grenzverlaufslinie („Krinne“) und Zeichen für die Grenzanlieger (Wappen, Herrschaftssymbole, Buchstaben, Fleckenzeichen). Die Ausmalung im Refugium ist nicht historisch und dient nur der Veranschaulichung. Die Inschriften der Steine wurden auch für das auf Ammerbuch fokussierte “Inschriften-Projekt” der Uni Tübingen erfasst. In Ammerbuch gab es schätzungsweise mehrere hundert Grenzsteine, allein für Entringen und Poltringen wurden im 18. Jahrhundert etwa je 140 um Gemarkung und Wald dokumentiert.
Früher wurden die einzelnen Grenzsteine mit Aussehen und Standort in regelmäßigen Grenzbeschreibungen und durch jährliche Kontrollgänge der sogenannten „Untergänger / Feldgeschworenen“ dokumentiert. Aus Poltringen stammt die älteste erhaltene Grenzbeschreibung zum Beispiel von 1767 („Poltringen deß gemeinen Fleckens allda gantzen Gegenden-Bezirks Zwäng und Bänn Beschreibung“), in Entringen ist die älteste Version („Weidlagerbüchlein – Entringen Trib und Trab: Zwing- und Bann-Steine“) aus dem Jahre 1716 und von Pfäffingen aus 1723 (“Des Fleckens Pfäffingen Waydgangs Bezürcks auf Zwäng und Bänn”). Diese liegen transkribiert und digital vor, für die anderen Ortsteile ist das geplant.
Das Artikelbild zeigt Zeichnungen historischer Marksteinzeichen aus der Umgebung von Tübingen von ca. 1680/90 aus den Kieserschen Ortsansichten (Hauptstaatsarchiv Stuttgart, H 107/18 Bd 52 Bl. 31).
Kurzdokumentation der bisher eingepflanzten Steine mit Nummerierung nach Einbaudatum (für jeden Stein gibt es zudem ein detailliertes Datenblatt nach GEEK-Standard und eine Fotodoku zum Zeitpunkt der Aufstellung im AGR):
Stein 1 (“Abtsstab” / “1625“, gefunden als Einbau in eine Wengertmauer in Entringen, früherer Standort unklar, privat gespendet, bisher ältester, bekannter Stein in Ammerbuch)
Stein 2 (Nr. “43” / Nr. “56” / “1710“, gefunden in Bachlauf liegend in Poltringen, früherer Standort Gemarkungsgrenze Poltringen zu Oberndorf, privat gespendet)
Stein 3 (“B” / “R” / “1717 + Abtsstab”, lag in zwei Teile zerbrochen im Straßengraben zwischen Reusten und Breitenholz Nähe Hardtwald, früherer Standort Gemarkungsgrenze Poltringen (früher auch “Boltringen”) zu Reusten, privat repariert und gespendet)
Stein 4 (“Nr. 252” / “Hirschstange”, ca. 1820, lag wohl durch Forstmaschinen umgestürzt bei Grenze im Wald in Nähe Friedwald Hohenentringen, früherer Standort Grenze Communewald Poltringen zu Staatswald)
Stein 5 (“Nr. 3” / “Hirschstange”, ca. 1820, lag wohl durch Forstmaschinen umgestürzt bei Grenze im Wald in Nähe Saurucken, früherer Standort Grenze Staatsforstes zum Entringer Forst)
Stein 6 (“1746“, “Abtstab + P + G” für Pflege Gültstein des Kloster Hirsau und “Abtstab + B + HR + N 7 + A” ggf. für Breitenholz/Reusten/Altingen, beim Abbruch einer Scheuer in Altingen entdeckt, Unterteil abgebrochen, privat repariert und gespendet)
Stein 7 (“Abtsstab + P + R” für Pflege Roseck des Kloster Bebenhausen “21 + 1804“, lag im Rathaus Breitenholz, früherer Standort unbekannt, von Ortsverwaltung gespendet)
Stein 8 (“P + 6 + Abtstab” und “7 + 1”, lag in Scheune in Entringen, früherer Standort Gemarkungsgrenze Entringen / Reusten / Poltringen Bereich “Rosskonrad”, Alter unbekannt, privat gespendet)
Stein 9 (“Eber” für Poltringen, lag an Außenwand Kelter Pfäffingen, Alter und früherer Standort auf Gemarkungsgrenze Pfäffingen zu Poltringen unbekannt, gespendet vom Kelterverein)
Stein 10 (“Adler”, Nr. “7” und Reste “Abtsstab (?) + Zahl (nicht lesbar)”, wurde an wechselnden Standorten in der Nähe des ursprünglichen Standortes zweimal durch Unfälle abgebrochen, Alter unbekannt, früherer Standort auf Gemarkungsgrenze Pfäffingen zu Unterjesingen, privat repariert)
Stein 11 (“W + 1809“, wurde von Baumsturz aus ursprünglichem nicht genau bekanntem Standort gerissen -Zeitpunkt unbekannt- und rutschte dann Berg herab, wo er am südlichen Wiesenrand im Sulztal lag, früherer Standort Gemarkungsgrenze Pfäffingen zu Wurmlingen)
Stein 12 (“V 4” + “V 5”, lag umgestützt seit längerem im Wald, Distrikt-/Abteilungsstein aus dem Entringer Bannwald, markierte einst innerhalb des Staatswaldes die Grenze zwischen den Wald-Abteilungen 4 und 5 als Teil des Distrikts V, vermutlich aus dem 19. Jahrhundert)
Stein 13 (“N 28”, Abtsstab und “P” + “R” für Pflege Roseck sowie “Ente” für Entringen, von ihm gibt es nur noch das obere Stück, lag auf dem Härtlesberg auf der Grenze zwischen Markung Entringen und Markung Pfäffingen an Hohlweg zwischen Kurze Steige/Tübinger Fußweg und Schönbuchspitz, Fuß ergänzt, Alter unbekannt)
Stein 14 (“A” für Altingen + “III 02” und “Abtsstab” und darüber liegendes breites “B”, lag in der Nähe des Modellflugplatzes am südwestlichen Rand des Hardtwaldes bei Grenze Reusten zu Altingen, Alter unbekannt)
Stein 15 (“Abtsstab” für Bebenhausen + “P” und “R” für Pflege Roseck, “1802“, Standort war unterhalb Schloss Roseck auf Gemarkungsgrenze Pfäffingen zu Unterjesingen, wurde durch Sturm “Wiebke” 1990 durch Baumsturz in drei Teile zerschmettert, privat repariert)
Stein 16 (“Hirschstange” für Württemberg, “Nr. “122” und “1835“, lag seit etwa 20 Jahren umgestützt in Nähe Originalstandort im Schönbuch – Waldabteilung “Kauserle” -)
Stein 17 (“Hirschstange” für Württemberg, “B” für Breitenholz, “Nr. “140” und “1824“, lag umgestürzt im Schönbuch an früherer Grenze Breitenholz zu Staatswald am “Kayher Strässle”)
Stein 18 (“Hirschstange” für Württemberg, Nr. “227”, Jahr “1823“, lag umgestürzt im Schönbuch zwischen Hohenentringen und Schloss Roseck)
Stein 19 (zur “Hirschstange” für Württemberg umgearbeiteter “Abtsstab” und “P R” für Pflege Roseck von Bebenhausen, “Nr. “217” +”118″ + “I” für Iesingen, “drei Adler” für Gültlingen, lag umgestürzt im Schönbuch zwischen Hohenentringen und Schloss Roseck, Alter unbekannt, mind. 18. Jhrdt.)
Stein 20 (“Abtsstab” mit “P” und “R” für Pflege Roseck und “9” sowie “T” (ggf. Tübingen), “1779“, aufgefunden eingebaut in Stützmauer oberhalb des Martinswegs)
Stein 21 (“Hirschstange” für Württemberg, Nr. “102” und “E 1 H” (ggf. Entringen, Nummer und Hagelloch), Alter unbekannt, aufgefunden umgestürzt in Nähe von Becklesgarten im Schönbuch)
Stein 22 (“VIII 10.” und “VIII 9.” als Bezeichnung für bestimmte Waldgewanne, Alter unbekannt, aufgefunden umgestürzt im Schönbuch am Diebsteigweg)
Stein 23 (“Abtsstab” und darüberliegendes breites “B” für Bebenhausen und “A” für Altingen und Nummer “99”, Alter unbekannt, lag abgebrochen und umgestürzt im Hardtwald an Grenze Altingen zu Reusten, privat repariert)
Stein 24 (“Hirschstange”, Nr. “18”, “1825” und “E” für Entringen, lag im Schönbuch in Nähe Spielplatz Saurucken an Wiese)
Stein 25 (Nummer “147”, Alter unbekannt, wohl 19. Jahrhundert, stammt aus Ausgrabung des “Goldrings von Ammerbuch” in Reusten, ist kein Grenzstein, aber Torso eines Grab-Nummerierungs-Lagersteins aus dem Abraum des Friedhofs Reusten, direkt dabei weitere Grablagersteine v.l.n.r. mit Nummern “447”, “147” (s.o.)., “487”, “401”, “?44” und “485” früher aus dem Friedhof Entringen)
Stein 26 (“Hirschstange” für Württemberg und Nr. “230”, Alter unbekannt, wohl 19. Jahrhundert, lag umgestürzt zwischen Hohenentringen und Schloss Roseck bei der Teufelsklinge, früherer Standort wohl in Nähe auf Grenze Pfäffingen zu Unterjesingen)
Stein 27 (ohne Inschriften oder Krinne, lag umgestützt im Gewann Schopfloch/Gaißbühl, Alter unbekannt, wohl 20. Jahrhundert)
Stein 28 (“Abtsstab” für Bebenhausen, “P + R” für Pflege Roseck, “N” für Nummer, “116” und “drei Adler” für Freiherren von Gültingen/Pfäffingen, Alter unbekannt, lag in Enzbach unterhalb Schloss Roseck)
Stein 29 (“Hirschstange”, aus Granit, wohl 20. Jahrhundert, von Grenze Entringen zu Staatswald, lag hinter königlicher Jagdhütte)
Stein 30 (“Eber” und “Rose” für Poltringen, Nummer ggf. “59”, Alter 16/17. Jhrdt., war am Standort im Heidenwald in mindestens sechs Teilen zerbrochen)
Stein 31 (“Hirschstange” für Württemberg, “HE” für Hohenentringen, Nr. “243” und “I”, lag bei Hohenentringen umgestützt im Wald, ca. 1820)
Stein 32 (“N (Nummer) A (Altingen) 101”, lag im Hardtwald auf Grenze Reusten zu Altingen umgestürzt und zerbrochen, Alter unbekannt, privat repariert)
Stein 33 (“Eber” für Poltringen und “Ente” für Entringen, lag umgefahren auf Grenze Poltringen zu Entringen Nähe Entensee, von 1670 bzw. 1708)
Stein 34 (“1835” und “CE” für Commun Entringen, Nr. “38” und ein wahrscheinlich zerschossenes Hirschgeweih, lag am nordöstlichen Rand des Franzosenschlag-Wiesles im Entringer Schönbuch)
Stein 35 (“Hirschstange” für Württemberg, lag umgekippt am Luderrain im Pfaffenhau, Alter unbekannt)
Stein 36 (“Abtstab” für Bebenhausen, zur “Hirschstange” umgewandelter Abtsstab, sowie “P” + “R” für Pflege Roseck und “I” für Jesingen, “Nr. 223”, Wappenschild mit drei Pfäffinger/Gültlinger “Adlern”, lag abgebrochen und umgekippt in der Teufelsklinge, privat repariert, Alter unbekannt)
Zusätzlich findet sich zwischen den Bänken ein einfacher kleiner Ackermarkstein als Beispiel, der nicht Gemarkungsgrenzen markierte, sondern einzelne Felder voneinander abgrenzte oder als Zwischengrenzstein bzw. “Läufer” diente. Ein spezieller moderner “Markstein” findet sich nicht weit vom AGR entfernt beim Flugfeld. Als “Kommunaler Mittelpunkt” ist er aber eher kein Grenzzeichen, als eine Mitte definierender (Kunst-) Stein.
Unter den Steinen waren in der Regel sogenannte „Zeugen“ versteckt, die sicherstellten, dass die Grenzsteine nicht unbemerkt verrückt werden konnten. Dies erfolgte von beiden Angrenzergemeinden, d.h. unter einem Grenzstein lagen meist zwei Zeugen. Grenzstein-Zeugen können aus gebranntem Ton, Porzellan, Glas, Beton, Ziegelbruch oder auch ein Stück Kohle sein. Nur die Untergänger kannten die Art und Beschaffenheit als „Zeugengeheimnis“. Wie diese in Ammerbuch aussahen finden Sie hier. Auch eine Übersicht für den Landkreis Tübingen gibt es.
Weitergehende übergreifende Informationen zu Kleindenkmalen, Grenzsteinen und Zeugen etc. finden sich hier:
GEEK (Gesellschaft zur Erhaltung und Erforschung der Kleindenkmale in Baden-Württemberg e.V.) -> ähnliche Initiativen wie das Ammerbucher Refugium: https://2014geek.bplaced.net/geek/grenzstein-refugien-in-baden-wuerttemberg/
Buch “Grenzsteinzeugen im Landkreis Tübingen” von Franz Burger
Buch Tübinger “Grenzen und Marksteine” von Hermann Jantzen
Sollten Sie von einem „entwurzelten“ interessanten, historischen Grenzstein in Ammerbuch wissen, der für das Grenzstein Refugium in Frage käme, können Sie sich gerne bei den Projektansprechpartnern melden:
Reinhold Bauer 07073-6956, Boris Dieter 07073-300 769, Markus Hermann 0151-5911 8964 oder heimatgeschichte@hwv-ammerbuch.de