Liebe Ammerbucherinnen, liebe Ammerbucher,
seit Kurzem ist an der Weggabelung des Poltringer Weges in der Nähe des Entringer Bildungszentrums ein „Grenzstein-Refugium“ im Aufbau. Auf diesem Gemeindegrundstück wurde vor vier Jahren von den Entringer Gemeinderäten ein Baum gepflanzt, zwei Ruhebänke laden zum Verweilen ein.
Grundsätzlich dürfen alte Grenzsteine von ihrem angestammten Standplatz nur mit Erlaubnis der Denkmalschutz- und Vermessungsbehörde straflos entfernt werden. Ein Grenzstein-Refugium ist ein Platz, an dem historische Grenzsteine, die ihren ursprünglichen Standplatz verloren haben oder vor der Zerstörung stehen, einen angemessenen Standort finden. Dort werden besonders schöne Exemplare wieder aufgestellt, ggf. gereinigt und restauriert und der Einwohnerschaft zugänglich gemacht.
Damit kann das Thema Grenzsteine und Kleindenkmale auch etwas mehr in die allgemeine Aufmerksamkeit gebracht werden, da es sich oft um jahrhundertalte Zeitzeugen und historische sowie kunsthandwerkliche Kleinode handelt. Grenzsteine sind nicht nur (frühere) amtliche Grenzmarkierungen, sondern, wenn sie alt sind, auch sogenannte Kleindenkmale. Es handelt sich hierbei oft nicht nur um einfache behauene Steine, sondern in vielen Fällen zeigen diese Jahreszahlen, Herrschaftssymbole, Ortsnamen / -initialien und/oder Grenzlinien. Ähnliche Refugien gibt es auch in anderen Gemeinden, z. B. in Stutensee-Staffort, Ostrach, Steinheim/Murr oder Horb.
Gestartet ist das Ammerbucher Grenzstein-Refugium nun mit insgesamt 6 Steinen. Zwei stammen von Familie Wesselmann aus Poltringen, einer von Walter Faßnacht aus Reusten und einer von Familie Richard Teufel aus Altingen. Vor z. T. vielen Jahren wurden diese Steine geborgen und nun zur Verfügung gestellt. Zwei Steine stammen aus dem Schönbuch.
Ihre Kurzbeschreibung erfolgt im Uhrzeigersinn, beginnend etwa im Osten. Die Steine sind im AGR so angeordnet, dass sie – vom Baum aus gesehen – etwa in der Richtung platziert sind, von wo sie herstammen:
Stein 1: Früherer Grenzstein, der in der Wesselmann‘schen Wengertmauer an der Entringer Mönchberghalde eingebaut war – in der Nähe der einstigen Mönchberghalde-Kelter. Deutlich lesbar ist das Jahr „1625“. Der „Abtsstab“ (markierte Bebenhäuser Besitz, wie z. B. bei Reusten) ist kaum noch erkennbar. Früherer Standort ist leider unbekannt.
Stein 2: Früherer, umgekippter Grenzstein der Gemarkungsgrenze Poltringen zu Oberndorf aus dem 18. Jahrhundert mit Nummer „56“. Die Jahreszahl „1710“ ist gut erkennbar, die Krinne an der Oberseite zeigt das rechtwinklige Abbiegen der Grenzlinie an.
Stein 3: Ein weiterer Grenzstein (-Torso) von der Gemarkungsgrenze Reusten zu Poltringen, der von Steinbildhauer Rolf Kümmerle unentgeltlich „geschient“ wurde, da ihn eine Planierraupe beim Ausbau der K 6916 vor Jahren abgebrochen hatte, Inschriften: „Abtsstab“ und „R“ (für Reusten), „B“ (für Boltringen), „1717“, Krinne an der Oberseite ist etwas undeutlich.
Stein 4: Stein aus den 1740-er Jahren, der ursprünglich die rechtwinklig abbiegende Grenze zwischen Altingen und Gültstein markierte. Auf zwei Seiten weisen die „Abtsstäbe“ samt den Buchstaben „P“ und „G“ auf die Hirsauer Kloster-Pflege Gültstein – „Nr. 43“. Auch auf der Seite nach Altingen mit dem „A“ und der „Nr. 7“ ist unter anderem ein „Abtsstab“ eingehauen. Der unten abgebrochene Stein kam beim Abriss einer Scheuer in der Stiegelstraße zutage und wurde dankenswerter Weise von Steinbildhauer Kümmerle ergänzt.
Stein 5: Doppelt breiter Grenzstein von der früheren Grenze des Staatswaldes zum Entringer Gemeindewald, von etwa 1820. Bei Forstarbeiten umgestürzt, zeigt er die Grenzsteinnummer „3“, eine Krinne mit ca. 47° Schwenk und eine sehr breite württembergische „Hirschstange“.
Stein 6: Umgekippter Stein aus dem Schönbuch, von der Grenze des Staatswaldes zum ehemaligen Poltringer Gemeindewald. Er wurde um 1820 aufgestellt und zeigt die Nummer „252“, eine geradlinige Krinne und die württembergische „Hirschstange“.
Durch Hinweise aus der Bevölkerung und sonstige Funde sind weitere Bergungen „entwurzelter“ Grenzsteine schon in Planung.
Früher wurden die einzelnen Grenzsteine mit Aussehen und Standort in regelmäßigen Grenzbeschreibungen und durch jährliche Kontrollgänge der sogenannten „Untergänger“ dokumentiert. Zum Beispiel aus Poltringen stammt die älteste erhaltene Grenzbeschreibung von 1767 („Zwäng und Bänn Beschreibung“), in Entringen ist die älteste Version („Weidlagerbüchlein“) aus dem Jahre 1716.
In Planung ist auch zukünftig digital oder über eine Hinweistafel Detailinformationen zu den aufgestellten Grenzsteinen bereitzustellen.
Sollten Sie also über einen „entwurzelten“ historischen Grenzstein mit Inschriften verfügen oder wissen, wo solche lagern, und diese für das Grenzstein-Refugium spenden wollen, würden wir uns über einen Hinweis freuen: 07073-6956 oder – 300 769.
Ihre Ammerbucher Ortshistoriker
Reinhold Bauer und Boris Dieter